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Als die Amerikaner Ruppichteroth eroberten

Von Nicolas Ottersbach | | Magazin

Vor genau 75 Jahren marschierten die amerikanischen Truppen in Ruppichteroth ein und beendeten damit die Nazi-Herrschaft im Ort. Bis zuletzt kämpfte der Volkssturm. Wolfgang Eilmes hat im Bilderbuch Ruppichteroth die Ereignisse mit Zeitzeugen und dem Historiker Karl Schröder detailliert nachgezeichnet. Foto: Vorstoß der Amerikaner nach Ruppichteroth [Amerikanische Luftaufnahmen, Bearbeitung Wolfgang Eilmes]

"Im Gedenken an den 75. Jahrestag des Kriegsendes 1945 möchten wir hier aufzeigen, wie sich das Ende dieses Krieges in Ruppichteroth zugetragen hat", leitet Wolfgang Eilmes seine Zusammenstellung ein. Auf Basis der Archivdaten von Karl Schröder, der Erinnerungen von Helmut Zimmermann ("Blöckchen") und Oberstleutnant Martin Steglich erhalte man einen guten Eindruck der Geschehnisse der letzten Kriegstage vom 7. bis 9. April 1945.

Karl Schröder schrieb:

"In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1945 schliefen die Menschen unserer Gemeinde unruhig in den Kellern, in banger Erwartung der kommenden Ereignisse. Der Morgen des 8. April, des Weißen Sonntags, war ein Frühlingsmorgen in Ruppichteroth 1945, wie man sich ihn für diesen kirchlichen Festtag nur wünschen konnte. Der Himmel war strahlend blau und es herrschte eine Ruhe, wie man sie lange nicht erlebt hatte. Aber die Ruppichterother wussten, dass es die Ruhe vor dem Sturm war.

Gegen 9:00 Uhr begannen die Texaner den Angriff auf das Bröltal. Die Dörfer südlich der Bröl wurden fast alle kampflos genommen. Nur aus Richtung Ennenbach hörte man Maschinengewehrfeuer. Auch in Kämerscheid konnten die Amerikaner, ohne Widerstand anzutreffen, eindringen. Plötzlich waren die khakifarbenen Gestalten in Kompaniestärke da, trieben die Bewohner im Ortskern zusammen und beschlagnahmten drei Häuser. Die deutsche Artillerie schoss ins Dorf und Zivilisten und amerikanische Soldaten gingen in Deckung.

An der Peripherie von Ruppichteroth versteifte sich ab 10:30 Uhr der Widerstand. Die amerikanische Regimentsgeschichte berichtet von deutschen Panzern bei Heide, etwa 1 km von Ruppichteroth entfernt. Die Texaner, die ihr Leben nicht mehr aufs Spiel setzen wollten, forderten Unterstützung aus der Luft an."

Helmut Zimmermann (Blöckchen) schrieb:

"Ich stand vor der Apotheke, als der Fliegerangriff losging. Ein Flugzeug kam über den Höhenzug auf Richtung Höhe/Altenherfen über die heutige Hirschbitze (wo damals noch keine Häuser standen) heruntergeschossen und beschoss die Fahrzeuge der NSKK. Man konnte die Geschossgarben genau sehen, denn jede 4. Patrone war eine Leuchtspurpatrone. Die letzten Patronen schlugen auf der Wiese ein, wo heute das Haus des verstorbenen Dr. Ernst Willach steht. Das frühere Haus Zünder, heute EP Müller, stand noch nicht. Das Flugzeug wendete mehrfach und flog immer wieder von der Höhe/Altenherfen aus um die Fahrzeuge zu beschießen. Erst als alle Fahrzeuge zerstört waren, drehte der Flieger ab."

Der zu Kriegsende am Niederrhein schwerverwundete Oberstleutnant Martin Steglich, Gründer und späterer Inhaber des Möbelhauses Maro, war vor kurz vor Schließung des Ruhrkessels nach Ruppichteroth ins Lazarett im späteren Kölner Schullandheim verlegt worden, so Eilmes.

Martin Steglich schrieb:

"Dass die Amis nicht die Villa Daheim beschlagnahmt haben, hatte zwei Gründe: Erstens: Es war keine Autoanfahrt direkt bis ans Haus und zum Laufen von der Straße waren die Amis zu faul. Zweitens: Als die Amis kamen und das Haus in Quartier nehmen wollten, haben meine Frau Roselinde und Schwägerin Grete wie folgt gewirkt: Sie haben sich Mullbinden vor den Mund gehängt, weiße Kittel angezogen und auf ein Schild gemalt: "Infektion". Die Amis sind gar nicht in die Villa gegangen, davor haben sie zurückgeschreckt.

Doch die Kampftruppe zog bald ab und als Besatzungstruppe kamen Belgier. Es war ein Bataillon der belgischen Legion in der englischen Armee. Die Belgier errichteten einen Fahnenmast unten am Bröltalbahnhof und jeder Deutsche, der vorbei kam, musste davor stehen bleiben und den Hut ziehen. Wer es nicht tat, wurde geschlagen. Da nun kein Ruppichterother mehr dort unten lang ging, sperrten sie die andere Straße oben durchs Dorf, um die Leute zu zwingen über die Brölstraße zu gehen. Es wurden auch einige Leute in der Zeit ermordet, wenn die Soldateska auszog, um zu plündern während der Sperrstunde. Später hat dann die belgische Militärpolizei die Todesanzeigen auf dem Standesamt in Ruppichteroth gefälscht und als Todesursache eingetragen, zum Beispiel "Lungenversagen" oder "Herzversagen“."

Von 1939-1945 starben 152 Ruppichterother an den Folgen des Krieges, erklärt Eilmes. "23 jüdische Mitbürger wurden ermordet, 19 konnten sich diesem Schicksal nur durch Flucht in die USA und nach Israel entziehen. Zahlreiche Soldaten befanden sich noch in Gefangenschaft. Die letzten von ihnen kamen 1955 frei." Doch es gab auch Zuzüge nach Ruppichteroth. Die meisten von ihnen kamen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, wo sie ihre Heimat an Polen und Russen verloren hatten, oft auch noch ihre Familienangehörigen. Die Familie Maxton flüchtete von Berlin über das 1939 eroberte Westpolen nach Ruppichteroth.

Familie Maxton:

"August 1943 : wegen der häufigen Bombenangriffe auf Berlin werden alle Mütter mit Kindern evakuiert. Hildegard Maxton (die Mutter) zieht mit ihrem gesamten Hausstand – Hitler glaubte zu diesem Zeitpunkt noch an einen deutschen Endsieg und plante später Reichsdeutsche in die noch zu erobernden Gebiete auszusiedeln – in den Osten um. Die Familie wurde in die obere Lehrerwohnung einer Schule in Waldowsee (polnisch Suchatowka ) Kreis Agenau im Warthegau ( liegt zwischen Thorn und Hohensalza ) eingewiesen. In der unteren Wohnung lebte die aus Lettland stammende deutsche Lehrerin (Frau Scheffel mit ihrer Mutter ), denn es gab in Waldowsee viele volks- und einige reichsdeutsche Familien.

Als ab  Weihnachten 1944  immer mehr Trecks mit deutschen Flüchtlingen aus dem Osten durch Waldowsee nach Westen zogen, fuhr Hildegard Maxton 2 mal vergeblich zum Kreisleiter nach Hohensalza um die Genehmigung zu erhalten , mit ihren 4 Kindern ( 9 , 8, 5 und 3 Jahre alt ) ebenfalls nach Westen aufzubrechen; die Ablehnung wurde damit begründet, das sei „Wehrkraftzersetzung“, gleichbedeutend mit Fahnenflucht. Mutter hatte aber schon vorsorglich  Pakete mit Bettwäsche, Handtüchern usw. zu einer Schulfreundin auf einem Hof  im Oldenburgischen geschickt."

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