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Interview mit Gemeindewerke-Geschäftsführer Rolf Hänscheid

"Ich bin überzeugt, dass dezentrale Energiequellen die Zukunft sind"

Von Nicolas Ottersbach | | Wirtschaft/Politik

Sie sorgt für Trinkwasser, beseitigt Abwasser, liefert Strom und Gas und lässt nachts die Straßenlaternen leuchten: Vor zehn Jahren wurden die Gemeindewerke Ruppichteroth privatisiert und zu einer GmbH, an der zu 51 Prozent die Gemeinde Ruppichteroth und zu 49 Prozent die Stadtwerke Aachen beteiligt sind. „Ursprünglich ging es darum, das Strom- und Gasnetz zurück in kommunales Eigentum zu überführen“, sagt Geschäftsführer Rolf Hänscheid. Foto: Geschäftsführer Rolf Hänscheid im Kundenzentrum in Ruppichteroth, das gleichzeitig der Unternehmenssitz ist. [Nicolas Ottersbach]

Mit dem Netzbetreiberwechsel zum 1. Januar 2024 ist der letzte Meilenstein des Plans für die ersten zehn Jahre erledigt. An eine Pause ist aber nicht zu denken, denn nun steigen nochmals die Herausforderungen, aber auch der Umsatz und die Ergebnisse. Mittlerweile erwirtschaftet das Unternehmen Gewinne von bis zu 400.000 Euro und steht nach eigenen Angaben solide da. In Ruppichteroth versorgt man rund ein Drittel der Haushalte mit Energie, es gibt aber auch Kunden aus anderen Gemeinden. Warum man nicht in den Glasfaserausbau einsteigt, wie sich der Strompreis entwickeln wird, wie man zum Ausbau von Windkraftanlagen steht und was Hänscheid von einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft hält, erklärt er im Interview mit Nicolas Ottersbach.

Strom, Wasser und Gas ja, Internet nein. Warum sind die Gemeindewerke nicht in den Bereichen Breitband und Glasfaser tätig. Ruppichteroth hätte hier doch Ausbaupotenzial, oder nicht?

Rolf Hänscheid: Der Glasfaserausbau ist in Ruppichteroth sicherlich ein Thema, aber für uns ist das aufgrund der Marktstruktur und unserer Kapazitäten zurzeit nicht realistisch. Die Telekommunikationsbranche ist bereits stark vertreten, und da wir in den vergangenen Jahren große Projekte im Energiebereich realisiert haben – wie den Netzbetreiberwechsel im Stromnetz – konzentrieren wir uns momentan auf die laufenden Aufgaben in diesen Bereichen. Der Glasfaserausbau wäre einfach eine zusätzliche große Aufgabe, die wir derzeit nicht in die bestehende Struktur integrieren können.

Ist mit der Übernahme der Energienetze (Strom und Gas) das ursprüngliche Ziel jetzt abgeschlossen? Oder gibt es noch weitere Pläne in dieser Richtung?

Hänscheid: Ich würde sagen, wir haben viele der gesetzten Ziele bereits erreicht, und das oft schneller als geplant. Die Netzübernahmen und die Einführung des Energievertriebs waren Meilensteine für uns. Hinzu kam die Verdopplung unseres Personals von sieben auf 15 Mitarbeitende und eine Umsatzsteigerung, die das Fünffache des Ausgangsniveaus beträgt. Die Bilanzsumme ist um das vierfache gestiegen. Es gibt zwar immer noch Optimierungsbedarf und Potenzial für künftige Projekte, aber wir können stolz auf das bisher Erreichte zurückblicken.

Wie viel Umsatz und Gewinn die Gemeindewerke heute erwirtschaften?

Hänscheid: Aktuell liegen wir bei einem Jahresumsatz von etwa sieben Millionen Euro, und der Gewinn, je nach Jahr, liegt zwischen 300.000 und 400.000 Euro. Ein Großteil des Gewinns bleibt aktuell im Unternehmen, um weitere Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren. Dennoch gibt es auch Ausschüttungen an unsere Gesellschafter, die Gemeinde Ruppichteroth und die Stadtwerke Aachen, die am Ende des Jahres natürlich auch eine Verzinsung ihres eingebrachten Kapitals durch eine Gewinnausschüttung erwarten. Diese Ausschüttungen hängen aber immer vom Jahresplan und den künftigen Investitionsplänen ab.

Warum sollten die Bürger von Ruppichteroth Kunde bei der GWR werden, wenn die Preise vielleicht nicht immer die günstigsten am Markt sind?

Hänscheid: Bei der GWR erhalten unsere Kunden hundertprozentigen Ökostrom, und das zu einem dauerhaft fairen Preisniveau. Aber darüber hinaus ist es so, dass die Einnahmen der Gemeindewerke auch unserer Region zugutekommen. Wir fördern und unterstützen lokale Projekte und die örtlichen Vereine und soziale Einrichtungen in einer Größenordnung von jährlich rund 15.000 Euro. Für ein Unternehmen unserer Größe ist das ein erheblicher Betrag. Wir verwenden das sogenannte Gießkannenprinzip, um sicherzustellen, dass möglichst viele in den Genuss der Unterstützung kommen. Wir finden es wichtig, dass alle, die sich engagieren, bei uns um Unterstützung Anfragen können. Unsere Kunden tragen also direkt zur Stärkung der Kommune bei – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das nur ein lokales Gemeindewerk wie wir bieten können.

Wie haben die Gemeindewerke die Energiekrise bewältigt?

Hänscheid: Die Energiekrise im Jahr 2022 war zweifellos die größte Herausforderung. Einige Stadtwerke mussten wegen der enormen Preisentwicklung in dieser Zeit Millionenverluste einstecken und den Vertrieb einstellen, was wir durch eine clevere Einkaufsstrategie und Partnerschaften mit den Stadtwerken Aachen umgehen konnten. Und wir haben niemals einen Preis von mehr als 40 Cent je Kilowattstunde aufgerufen. In dieser Zeit hat die Kilowattstunde teilweise weit mehr als 50 Cent gekostet. Durch unsere Beschaffung im Voraus konnten wir leider in 2024 den Preis noch nicht senken, was aber zum 1. Januar 2025 vollzogen wird. Ich glaube, wir haben aktuell preislich wieder sehr gute Produkte am Start.

Welche Bereiche werden für die Gemeindewerke in den nächsten zehn Jahren wichtig sein?

Hänscheid: Der Ausbau des Stromnetzes wird eine große Aufgabe sein, um den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Immer mehr Haushalte installieren PV-Anlagen, Energiespeicher, Wärmepumpen und Wallboxen für Elektroautos. Diese Entwicklung erfordert ein leistungsfähigeres Stromnetz, da die Nachfrage steigen wird und die Netze darauf vorbereitet sein müssen, höhere Kapazitäten zu transportieren, sowohl auf der Lieferseite als auch auf der Einspeiserseite. Hier stehen wir vor erheblichen Investitionen, die über viele Jahre hinweg nötig sein werden, um das Netz entsprechend zu modernisieren und zu erweitern.

Wäre es möglich, dass die Gemeindewerke selbst in erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraftanlagen investieren?

Hänscheid: Wir prüfen immer wieder, ob und wie das möglich wäre. Eine Windkraftanlage oder eine große Freiflächen-Solaranlage ist aber eine erhebliche Investition. Für einen kleinen Betrieb wie uns muss das wirtschaftlich tragbar sein. Denn wenn eine Anlage nicht profitabel läuft, könnte das negative Folgen auf das Unternehmensergebnis haben, und das gegebenenfalls dauerhaft. Wir sind offen für Kooperationen und prüfen Projekte sehr genau. Unser Fokus liegt aber vorerst darauf, unsere Netze fit für die neuen Energieanforderungen zu machen.

Was halten Sie von Windkraftanlagen hier vor Ort?

Hänscheid: Windkraft ist definitiv ein wichtiges Thema, besonders in Anbetracht der Energiewende. Ich halte Windparks für einen wertvollen Beitrag zur lokalen Energieversorgung und bin überzeugt, dass dezentrale Energiequellen die Zukunft sind. Ich denke, das würde auch bei uns langfristig gut funktionieren, wenn man die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig informiert und einbindet. Ein weiterer Vorteil dezentraler Energiequellen ist, dass sie die langen Stromautobahnen quer durch Deutschland reduzieren könnten – je mehr wir vor Ort erzeugen und verbrauchen, desto unabhängiger und nachhaltiger wird die Energieversorgung.

Wie bereits erwähnt, sind wir immer offen für Kooperationen oder eine Beteiligung an Windprojekten. Es könnte auch Sinn machen, über Partnerschaften eine Betriebsführung oder andere Dienstleistungen für solche Anlagen zu übernehmen. Zusätzlich unterstützen wir lokale Eigentümer, die Interesse an Wind- oder Solarprojekten haben, mit unseren Kontakten zum Netzbetreiber.

Was sind Ihre Erwartungen an die zukünftige Entwicklung der Infrastruktur?

Hänscheid: In den nächsten Jahren werden hohe Summen in die Modernisierung und den Ausbau der Netze fließen. Das betrifft sowohl Strom- als auch das Wasserversorgungsnetz. Wir haben in den letzten zehn Jahren etwa fünf Millionen Euro allein in das Stromnetz investiert und planen jährlich eine halbe Million Euro für den Ausbau und die Erneuerung.

Ein Thema, das für viele Gemeinden relevant ist, ist die Gründung einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft. In Ruppichteroth gab es solche Überlegungen bereits, aber die Pläne wurden zurückgestellt. Wie stehen Sie zu dieser Idee?

Hänscheid: Ich bin ein großer Befürworter kommunaler Entwicklungsgesellschaften, und das kann ich mir auch für die Gemeinde Ruppichteroth vorstellen. Eine solche Gesellschaft ermöglicht der Kommune, bestimmte Projekte außerhalb des engen kommunalen Haushaltsrahmens anzugehen, was zusätzliche Handlungsfreiheit schafft. Das wirtschaftliche Handeln liegt dann bei der Entwicklungsgesellschaft selbst und nicht in der regulären kommunalen Verwaltung. Das ermöglicht flexiblere Entscheidungen und schnelleres Agieren, was bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten oder der wirtschaftlichen Entwicklung der Region große Vorteile bietet. Natürlich steht das Thema Kapitalausstattung und Finanzierung solcher Projekte ganz oben bei einer Prüfung, aber da gibt es immer verschiedene Ansätze. Ich glaube, die GWR ist ein gutes Beispiel für die Tragfähigkeit kommunaler Unternehmen in privater Rechtsform.

Die Umsetzung erfordert natürlich eine fundierte Analyse und eine klare Strategie. Es gibt Synergien, die genutzt werden könnten, etwa die Zusammenarbeit mit der Gemeindewerke Ruppichteroth GmbH, wenn es um die Infrastruktur in Neubaugebieten geht. Unsere kaufmännische Expertise und vorhandene Ressourcen könnten wertvoll sein und zur Effizienz solcher Projekte beitragen.

Kommentare

  • Heinz Kurtenbach
    November 5, 2024 um 7:20 am

    Wir, in der Gemeinde Much lebend, sind seit einigen Jahren für Haushalts- und Wärmestrom Kunden der Gemeindewerke Ruppichteroth. Eine der besten Entscheidungen war der Anbieterwechsel nach Anschaffung der Wärmepumpe. Service, Kontakt und Beratung waren beim Wechsel und sind kompetent und freundlich. Die Preise sind durchaus angemessen, es gibt deutlich höhere bei Mitbewerbern. Das Gewinne ortsnah, nun ja Ruppichteroth ist zwar Ausland für Mücher (aber immerhin befreundet) verwendet werden, gibt ein gutes Gefühl. Eine kommunale Zusammenarbeit ist meines Erachtens beim dringend erforderlichen Ausbau von Windkraft, Biogasanlagen und weiteren regenerativen Energiequellen, sowieso notwendig. Wieso nicht über Genossenschaften mit Bürgerbeteiligung, ist schon anderswo ein Erfolgsmodel.

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