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Urteil am Landgericht Bonn

Fünfeinhalb Jahre Haft für Rentner nach Schüssen auf Einbrecher in Ruppichteroth

Von Nicolas Ottersbach | | Blaulicht

Das Bonner Landgericht hat am Freitag einen 75-jährigen Rentner aus Much wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Der Mann hatte im Februar auf seinem Grundstück in Ruppichteroth-Stranzenbach mehrfach auf einen Einbrecher geschossen und ihn anschließend brutal attackiert. Der Angeklagte habe die Grenzen des Notwehrrechts so weit überschritten, dass das Wort Notwehr in dem Prozess nicht einmal gefallen sei, erklärte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Foto: Der Angeklagte im Saal des Bonner Landgerichts [Nicolas Ottersbach]

Schüsse am Gartengrundstück 

Der Senior war durch eine Wildkamera auf seinem abgelegenen Grundstück alarmiert worden. Auf dem Display seines Handys sah er erstmals keinen Fuchs oder Igel, sondern einen maskierten Einbrecher. Anstatt die Polizei zu rufen, griff der gelernte Elektriker und ehemalige Unternehmer für Einbruchsicherung zu einer halbautomatischen Kurzwaffe vom Kaliber neun Millimeter, die er illegal in seinem Haus aufbewahrte.

Als er den 24-jährigen Täter auf frischer Tat stellte, feuerte er zunächst mehrere Schüsse ab. Zwei Kugeln trafen den jungen Mann in den Rücken, eine davon durchschlug die Lunge. Dennoch versuchte der Schwerverletzte weiter zu fliehen. 

Verfolgung und brutale Attacke 

Der Angeklagte verfolgte den Verletzten mit seinem Auto, schnitt ihm den Weg ab und schlug mehrfach mit den Fäusten zu. Schließlich kam es am Rand einer Böschung zu einem Gerangel, bei dem beide Männer auf die darunterliegende Straße stürzten. Dort setzte sich der Rentner auf den am Boden liegenden 24-Jährigen und schlug ihm mit dem Metallmagazin seiner Waffe so heftig gegen den Kopf, dass das Opfer mehrere Schädelfrakturen und einen Schädelbasisbruch erlitt. Nur das Eingreifen zweier Passanten beendete die Gewalt. 

Bedingter Tötungsvorsatz 

Nach Überzeugung der Kammer wollte der Angeklagte den Einbrecher um jeden Preis stoppen. Zwar sei dem Rentner kein direkter Tötungswille nachzuweisen, doch habe er mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Es sei ihm gleichgültig gewesen, ob der Mann sterbe. 

Waffenarsenal im Haus 

Belastend wirkte auch das illegale Waffenlager, das die Polizei nach der Tat entdeckte. Mehr als 20 Schusswaffen fanden die Ermittler, darunter auch zwei Maschinenpistolen. Obwohl der Rentner bereits vor Jahren seinen Waffenschein abgegeben hatte, trennte er sich nicht von seiner Sammlung. Ein Teil der nun verhängten Strafe entfällt deshalb auch auf Verstöße gegen das Waffenrecht. 

Verteidigung prüft Revision 

Der Verteidiger des 75-Jährigen sprach in seinem Plädoyer lediglich von gefährlicher Körperverletzung und forderte eine Strafe von rund vier Jahren. Nach dem Urteil will er nun  mit seinem Mandanten prüfen, ob Revision eingelegt wird. Seit Februar sitzt der Rentner in Untersuchungshaft. Ob er bis zu einer möglichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs freikommt, ist unklar. Die Vorsitzende Richterin zeigte sich einer beantragten Haftverschonung jedenfalls nicht gänzlich verschlossen.

Kommentare

  • Regina
    09.10.2025 At 08:31

    Ich lese wie immer, solche Kommentare mit großen Augen. Hier ist ein Mensch verurteilt worden, nach dem Maßstab des Gesetzes. Das er sich über das Maß der Notwehr, gewehrt und geschützt hat, ist nicht in Frage gestellt. Dafür hat er bereits einen Teil der Strafe verbüsst. Die weiteren Beweggründe der Urteilsverkündung obliegt den Gegebenheiten und dem Urteil nach Rechtssprechung.

    Hat sich denn auch irgendjemand der hier anwesenden "schnellen" Kommentarschreiber mal Gedanken darüber gemacht, dass das "vermeintliche Opfer" vielleicht einen Backround hat und kein "unbescholtenes Blatt" ist? Natürlich rechtfertigt das die Vorgehensweise nicht, aber wenn man nicht beide Seiten kennt und beurteilen kann, sollte man sich besser verschiedene Kommentare verkneifen und neutral bleiben. Genauso wie es bei einer Urteilsfindung auch der Fall ist.

  • H. Benz
    01.10.2025 At 14:46

    In den USA wäre das eine Meldung für die Rubrik "AOB" (Any other business = Sonstiges).

  • Michael Stommel
    29.09.2025 At 09:41

    Sehr sehr mildes Urteil ... aber das mag jeder so sehen wie er möchte.

    • Lilly
      30.09.2025 At 19:51

      Sehr milde… nicht nachvollziehbar… Einbruch, Diebstahl geht nicht (wiederhole mich), aber in weniger als 1 Minute 10 Schüsse abfeuern und noch auf jemanden einschlagen und treten, hat nichts mit Schutz von Eigentum oder Selbstverteidigung im Affekt zu tun. Wer von Much bis Stranzenbach fährt und nicht zur Besinnung kommt, der ist von brutalster Gewalt mit Vorsatz oder gar Tötungsabsicht, getrieben. Und Uups, noch ganzes Waffenarsenal inkl militärische Waffen vergessen und noch nicht mal die u.U. legale Waffe war angemeldet. Da wundert, dass das Urteil nicht noch milder ausgefallen, weil der „arme Mann“ ne Amnesie, Demenz oder Ähnliches hat. Zumindest ist er erstmal aus dem Verkehr gezogen, wenn auch verhältnismäßig kurz. Möge diese Zeit ihm Altersweisheit und nicht noch mehr Starrsinn und Vergesslichkeit bringen.

      • Anja Fielenbach
        30.09.2025 At 20:39

        Gerechtigkeit ist nur ein ideeller Maßstab. Oft werden die Regeln des Rechts nicht als fair empfunden, das stimmt. Aber würden wir alles nur mit unserem Gerechtigkeitssinn regeln, hätten wir Anarchie, und das kann auf keinen Fall erstrebenswert sein. Nicht nur der Verteidiger, sondern auch die Staatsanwaltschaft kann eine Revision beantragen, wenn ihnen das Urteil als zu milde erscheint. Dennoch müssen sich alle Parteien an das im Gesetz vorgegebene Strafmaß halten. Das ist aus berechtigten Gründen manchmal weit gefasst und lässt oft Interpretationsspielraum zu. Das kann man gutheißen oder nicht. Wenn sich eklatante Fehler auftun, muss das Gesetz auf den Prüfstand.

        Das ist halt ein Aspekt unseres Rechtssystem, mit dem wir leben müssen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass genau dieses Recht unsere Rechte ebenso schützt, wenn wir selbst auf der Anklagebank sitzen. Weil der Mensch dazu neigt, seine eigene Meinung und Handlungen immer als moralisch richtig anzusehen. Jeder von uns scheint die Beurteilung der einzig richtigen Strafe für den Täter gepachtet zu haben.

        Unser Rechtssystem funktioniert gut so, wie es ist. Wenn etwas nachzujustieren ist, wird es in einem demokratischen Verfahren geregelt. Und das ist zu Recht ein langwieriger Prozess. Ich bin froh, nicht in einem Land zu leben, in dem das Rechtsverständnis auf Willkür beruht.

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