Der japanische Schaumstoffkonzern JSP hat Anfang Juli die Happ Kunststoffspritzgusswerk und Formenbau GmbH in Ruppichteroth vollständig übernommen. Bereits seit September 2023 hielt JSP 70 Prozent der Anteile. Die bisherigen Leiter des Familienunternehmens, Claudia Happ und Ulrich Berg, scheiden damit aus der Firma aus. Foto: Statt Happ wird am Standort in Ruppichteroth bald das Logo von JSP stehen [Nicolas Ottersbach]
Mit dem Schritt will JSP seine europäische Präsenz im Bereich Spritzguss und Formenbau stärken. Für den Standort Ruppichteroth bedeutet die Übernahme nach Unternehmensangaben vor allem eins: Wachstum, nicht Rückbau. „Das Werk ist baulich so ausgelegt, dass es theoretisch eine Verdopplung der Produktion zulassen würde“, sagt der neue Standortleiter Martin Storb.
Wer sind JSP und Happ?
Das Unternehmen JSP Corporation mit Sitz in Tokio ist einer der weltweit führenden Hersteller von Schaumstoffprodukten. JSP produziert und vertreibt eine Vielzahl expandierter Polymere, die in vielen Industriezweigen Anwendung finden. JSP entwickelte in den 1980er-Jahren den Stoff EPP und ist heute Weltmarktführer auf diesem Gebiet. JSP erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro, Happ mehr als zehn Millionen Euro. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
Die Happ GmbH ist ein spezialisierter Anbieter für Formenbau, Kunststoffspritzguss und automatisierte Montageprozesse. Das Unternehmen entwickelt komplexe Werkzeuge und produziert technische Bauteile vor allem für die Automobilindustrie, aber auch für die Heizungs-, Lüftungs-, Konsumgüter- und Filtertechnik. Happ bietet maßgeschneiderte Leichtbaulösungen und Hybridkomponenten.
"Viele Menschen hier sind froh, nicht pendeln zu müssen"
Storb betonte, dass JSP langfristig am Standort festhalte. Die Nähe zum europäischen Entwicklungszentrum des Konzerns in Düsseldorf sowie die gute Erreichbarkeit von weiteren Produktionsstandorten in Frankreich und Tschechien seien neben der technologischen Expertise von Happ ausschlaggebend gewesen. Zudem sei der Fachkräftemarkt in der Region überraschend stabil. „Viele Menschen hier sind froh, nicht pendeln zu müssen. Das hilft uns enorm bei der Personalgewinnung. Wir liegen hier sehr zentral, ohne die hohen Kosten wie in Köln, Düsseldorf oder Leverkusen zu haben“, so Storb.
Wirtschaftlich stehe es gut um die Kunststoffspezialisten Happ und JSP. Der Wandel in der Automobilbranche, der viele Zulieferer belastet, sei eine Chance. „Denn bei E-Autos und Hybriden spielt Gewicht eine noch größere Rolle“, sagt Storb. Außerdem entwickele man Lösungen rund um Batteriepacks mit dem Fokus auf Crashsicherheit, Wärmemanagement und Isolierung. „Auch im Fahrzeuginnenraum arbeiten wir an innovativen, integrierten Leichtbausystemen. Natürlich spüren auch wir den Strukturwandel, aber in unseren Nischen sind wir gut aufgestellt“, so Storb.
Stromausfälle bereiten Sorgen
Ein Problem seien allerdings sogenannte Micro-Power-Cuts, also kurze Stromausfälle, die in einem Industrieunternehmen wie Happ weitreichende Folgen haben. „Wenn der Strom auch nur für Sekunden weg ist, wenn zum Beispiel zu Hause die Lampe flackert, stehen 30 Maschinen still. Der Neustart dauert mehrere Stunden. Dadurch können die Maschinen auch beschädigt werden“, erklärt Ulrich Berg, der das Unternehmen bis zum Verkauf mit seiner Frau Claudia Happ geführt hatte. Man sei deshalb mit den Netzbetreibern im Gespräch, stoße aber bisher auf wenig Entgegenkommen.
Übergabe aus Verantwortung
Für Berg und Happ war der Verkauf eine sehr persönliche Entscheidung, schließlich hatten sie das Unternehmen 30 Jahre lang aufgebaut und fühlen sich Ruppichteroth sowie ihren Angestellten verpflichtet. „Wir hatten keine Nachfolgelösung in Sicht“, sagt Berg. Das Interesse seitens JSP kam für ihn überraschend, stellte sich aber als sinnvoll heraus. „Als Einzelkämpfer ist es schwer, sich im Spritzgussbereich gegen die Großen, auch hier in der Region, zu behaupten. JSP ist kein reiner Investor, sondern will den Standort wirklich weiterentwickeln.“
Happ und Berg sind komplett aus dem Unternehmen ausgeschieden, stehen allerdings noch beratend zur Verfügung, vor allem beim Betriebsübergang. Sie wollen sich nun dem Privaten zuwenden und das nachholen, was durch das Familienunternehmen zu kurz kam. „Ich werde bald ein zweijähriges Schlagzeugstudium anfangen“, sagt Berg, der in der Band Cool Mojo spielt.
Neue Chancen für Mitarbeiter
Für die rund 60-köpfige Belegschaft bringe der Konzernanschluss neue Perspektiven. Neben neuen Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung – so gibt es jetzt schon Englischkurse – seien auch internationale Projekte innerhalb des Konzernverbunds möglich. Entlassungen oder ein Stellenabbau seien nicht geplant, betonen Storb und Berg.
Was passiert mit den Nebenprodukten?
Zwei frühere Geschäftsbereiche, Ergotek und Happy Breathe, wurden inzwischen am Standort abgebaut. Happ: „Ergotek wird zwar weiter beliefert, aber die Montage findet nicht mehr hier statt. Die Maskenmarke Happy Breathe war eine temporäre Lösung in der Pandemie.“
Und dann ist da noch die Frage nach der Farbe. Die Firmenschilder von Ergotek und Happy Breathe sind am Standort an der Brölstraße bereits demontiert. Das Happ-Logo wird bald dem von JSP weichen, kündigt Storb an. Ob auch das markante Orange des Gebäudes, das das Eingangstor von Ruppichteroth prägt, verschwinden wird, ist noch nicht klar.
Sicher ist hingegen, dass sich auch JSP im Ort engagieren will. So spreche aus Storbs Sicht nichts dagegen, auch künftig die Summer Night Factory Party auf dem Gelände stattfinden zu lassen. „Dann werden wir sicherlich auch die organisatorische Hilfe von Ulrich Berg brauchen“, sagt er.
Kommentare
Hans-Jürgen Welke
27.07.2025 um 05:57 Uhr
Hallo,
Ich kenne mich mit dem Thema Spritzguss und Formenbau überhaupt nicht aus. Es scheint mir eine hochmoderne Fabrikationshalle zu sein. Dennoch möchte ich hier sagen, dass mir das Unternehmen Happ über lange Jahre immer sehr präsent war. Erst am alten Standort, dann, am neuen Standort. Man konnte den Fortschritt des Baus verfolgen und sehen, wie harmonisch sich "Er" ins Ortsbild einpasst. Es ist nach meiner Meinung ein Aushängeschild der Gemeinde geworden.
Wenn ich nach Ruppichteroth reinfahre, erkenne ich sofort das Firmengebäude und muß nicht erst an dem teilweise zugewachsenden Ortsschild vorbei, um zu erkennen, wo ich bin. Ich wünschen den Mitarbeitern alle Kraft um die Umstellung, die nun sicherlich auf diese zukommen wird, zu meistern. ich hoffe, das die Japanische Firma, die sowieso schon 70 % der Anteile am Unternehmen hatte, sich so verhält, das es nicht zu Problemen kommt. Alles Gute.