Noch in diesem Monat wird der Saal Halber in Winterscheid abgerissen. Für die Biergartensaison, die am Freitag startet, bringt die Familie trotzdem alles auf Vordermann.
Ein kleiner Ast fällt auf das Pflaster im Biergarten des Restaurants "Zur Post" in Winterscheid. "Dieser Baum macht mich wahnsinnig", sagt Roscoe Halber. Der dicke Stamm inmitten des Hofes ist Fluch und Segen zugleich. Zum einen sorgt er für Schatten und ein unvergleichliches Flair, zum anderen für jede Menge Arbeit. Gerade erst hat der Sohn des Gaststättenbesitzers Peter Halber lose Ästchen herausgeschnitten, da muss er schon wieder ran. "Es darf ja nicht sein, dass nachher einem Gast etwas in die Suppe fällt."
Biergarten öffnet, der Saal weicht
Wenn am Freitagabend der Biergarten eröffnet wird, ist eigentlich alles wie sonst üblich. Die Stühle sind geölt, das Pflaster ist geputzt und das Laub zusammengerecht. "Wir sind nur zwei Wochen früher dran, weil das Wetter so schön ist", sagt Halber. Und noch etwas wird sich ändern: In wenigen Tagen wird damit begonnen, den Saal Halber abzureißen.
Seit sechs Jahren ist er gesperrt, weil die Statik nicht mehr als standsicher galt. Die Wand zur Hauptstraße hin hatte sich an zwei Stellen mehr und mehr geneigt, auch an der Verbindung von Gaststätte und Saal waren Risse im Mauerwerk aufgetaucht. Warum das so geschah, zeigte sich aber erst, als Roscoe Halber begann, den Saal zu entkernen.
„Als der Saal in den 1950er Jahren gebaut wurde, wurde gepfuscht“, erzählt er. Das Gebäude, das komplett auf einer Holzständerkonstruktion steht, war von Statikern offenbar falsch berechnet worden. „Das Dach war viel zu hoch und zu groß, weshalb die Kräfte auf das Gebälk zu stark wurden.“ Zudem seien zu dünne Balken benutzt worden. Das heutige Fazit eines Statikers: Nur durch einen Neubau könne der Saal gerettet werden.
Neubau ist zu teuer
Doch dafür sind hohe Investitionen nötig. Nach Schätzungen von Halber weit mehr als 100.000 Euro – auch wenn vieles in Eigenleistung erbracht werden würde. „Alleine die Genehmigungsverfahren sind komplex und teuer, weil wir durch den Neubau modernste Anforderungen erfüllen müssten.“ Er weiß, wovon er spricht: In den vergangenen Monaten kümmerte er sich den Brandschutz der Gaststätte. „Da mussten wir sogar unsere alten Holztüren rausreißen und sie durch feuerfeste ersetzen.“ In Anbetracht dessen, dass das Geld erst einmal erwirtschaftet werden müsse, entschied sich die Familie gegen einen Neubau.
"Zur Post" seit 160 Jahren eine Institution
Die Gaststätte „Zur Post“ ist seit mehr als 160 Jahren eine Institution in Winterscheid. Etwa um 1850 von Heinrich Felder eröffnet, war sie 1896 die erste Poststelle mit einem privaten Telefon. Hier wurde 1910 der Männergesangsverein Sangeslust gegründet, der bis vor der Schließung des Saals dort auch seine Karnevalssitzungen abhielt.
1919 kaufte Peter Halber, der Vater von Peter Halber junior und Großvater von Roscoe Halber, das Anwesen. In den 50er Jahren wurde viel geändert: Das Fachwerk wurde in Massivbauweise umgebaut, nebenan eine Kegelbahn errichtet. Es folgten der Saal und ein neues Dach. In dieser Zeit übernahmen auch Peter Halber junior und seine Frau Marion das Geschäft. In den nächsten Jahren will ihnen das Roscoe Halber nachmachen.
Gastro-Geschäft ist schwierig
Doch schon lange ist das Geschäft in der Gastronomie ein schwieriges – es kommen immer weniger Gäste. „Wahrscheinlich, weil das Geld nicht mehr so locker sitzt.“ Von Tourismusförderung merke man hinter der Theke kaum etwas. „Aber wer will hier auch Urlaub machen, wenn es nicht genügend Attraktionen gibt“, sagt Roscoe Halber. Aber wer einmal im Sommer vorbeikomme, schwärme anschließend von der Atmosphäre im Biergarten. Die Hotelzimmer im benachbarten Haus, das 1989 aufwendig saniert wurde, seien viele Tage im Jahr mit Monteuren belegt. „Das ist ein wichtiges Standbein für uns geworden.“
Trotzdem: Halber will auch wieder mehr klassische Gäste anlocken. So gibt es Steaks zur Biergarteneröffnung günstiger. Wenn der Saal erst einmal abgerissen ist, könnte dort eine neue Terrasse entstehen. „Die Bühne könnten wir dann für Open Air Konzerte nutzen.“ Doch das ist erst einmal noch Zukunftsmusik. Halber konzentriert sich nun darauf, dass der Abriss beginnt – auch wenn es schmerzt, den Saal, der viele Jahre ein Zentrum des Winterscheider Lebens war, verschwinden zu lassen.
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