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Harte Prüfung für Ruppichteroth

Von Nicolas Ottersbach | | Magazin

Hans-Peter Hohn kickt den Kieselstein auf der Straße weg. Insgesamt viermal, bis der Stein am Straßenrand ist und nicht mehr stört. Auf dem Pflaster im Oberdorf liegt kein Papierchen. Die Beete sind frisch bepflanzt, das Unkraut gejähtet. In den Fenstern hängt sogar die Dekoration für die Döörper Weihnacht - im Juli. Jedes Detail soll stimmen. Denn auf den Besuch der Bundesjury des Wettbewerbs "Unser Dorf hat Zukunft" haben Hohn und der Bürgerverein Ruppichteroth fast vier Jahre hingearbeitet.

13 Juroren sind unter der Leitung von Elmar Henke im Bus angereist, jeder mit seinem eigenen Spezialgebiet. Seit vier Wochen touren sie in wechselnder Besetzung durch ganz Deutschland. Ruppichteroth ist das letzte der 33 Dörfer, das auf der Liste steht. Drei Stunden sind für jeden Ort eingeplant. Und eine achtseitige Präsentationsbroschüre.

Die brauchen die Juroren nicht mehr, als sie an der Bushaltestelle gegenüber des Huwil-Centers eintreffen. Sie haben sich schon ausführlich mit den Kandidaten beschäftigt. Historie, Gesellschafs- und Infrastruktur beleuchtet. "Ein Geranienwettbewerb wie in den 60er Jahre ist das nicht mehr", ist von ihnen zu hören. Auf den Zetteln in den Klemmbrettern stehen Stichworte wie "Breitbandverfügbarkeit", "nachhaltige Energieversorgung" und "Tourismus". Stichworte, die selbst die Golddorf-Macher Hans-Peter Hohn und Wolfgang Steimel nervös werden lassen.

Sie haben mit der Unterstützung unzähliger Helfer in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass der Ortskern auf Kreis- und Landesebene die Goldmedaille im Wettbewerb gewonnen hat. "Wir Döörper sind authentisch", sagen sie über ihr Erfolgsrezept. Die Anstrengungen seien nur durch die intakte Gemeinschaft gemeistert worden. Durch Ehrenamtliche, die sich für ihren Heimatort einsetzten. Einen "lebens- und liebenswerten", wie das Motto lautet. Ob sich das auch der Bundesjury vermitteln lässt? Foto: Die Jury im Gespräch

Sie ist kritisch und lässt sich nicht in die Karten schauen. Schließlich geht es darum, eine Art Blaupause für ländliche Regionen zu küren. Ein Dorf mit bundesweitem Vorbildcharakter, dass sich auch auf europäischen Ebene messen kann. Im einen Moment machen die Juroren Späße, im nächsten fragen sie gezielt nach. Bürgermeister Mario Loskill bekommt das die gesamte Fahrt über zu spüren.

Der Bürgerverein hat einen alten Schweizer Postbus gemietet, um die Jury durch den Ort zu chauffieren. In der zweiten Reihe sitzt Loskill, neben ihm Elmar Henke, Bürgermeister des bayerischen Sommerach. Der Ort gewann 2015 Bundesgold. Auch wenn Henke das erste Mal Jurymitglied ist, weiß er, wovon er redet. Mit bayerischem Akzent quetscht er Loskill beispielsweise über Grundstücksmarktpreise aus und wie sich der Bau des Huwil-Centers auf sie ausgewirkt hat. Oder wie sich die Verwaltung vorstellt, das Stromnetz vom Betreiber RWE zurückzukaufen. Für Hans-Peter Hohn, der vorne im Bus steht, die komplette Fahrt über moderiert und vom bürgerschaftlichen Engagement berichtet, hat er scheinbar keine Ohren. Foto: Loskill und Henke im gespräch

Nur Scheinbar. Denn sollten Henkes Ohren mal etwas verpassen, hat er noch seine Juroren. Sie hören aufmerksam zu, als Schüler über die Naturschutzprojekte am Brölbach erzählen. Sie befragen den Künstler Wilfried Maria Blum, der seinen Schmuckgarten des "fantastischen Realismus" öffnet. Und gehen auf die vielen Bürger zu, die am Straßenrand stehen und den Rundgang durch das Oberdorf begleiten.

"Dieser Kontakt zu den Einheimischen ist das wichtigste", sagt Willi Raulf. Der 69-Jährige ist als einziges Jurymitglied durch alle 33 Dörfer gefahren und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Wettbewerb. Er findet es bemerkenswert, wie sich Vereine und Institution während der Rundfahrt präsentieren. Die Feuerwehr macht bei einer Übung riesige Flammen, der Turnverein turnt in der Bröltalhalle auf den Geräten, auf einer Wiese wird noch per Hand Heu gemacht. Ein Büdchen der Döörper Weihnacht steht im Oberdorf. Chöre singen. Das Ziel: Innerhalb von drei Stunden so viel Dorfleben wie möglich zeigen.

Wie Raulf das findet? Er windet sich. Fragen zu seinem Eindruck über Ruppichteroth geht er aus dem Weg, er möchte keine voreilige Wertung abgeben. "Was zählt ist eben der Gesamteindruck. Und um Gold zu bekommen, müssen alle Bereiche außerordentlich gut sein", erklärt er. Doch wie bewertet man den Gesamteindruck, der so viele Facetten hat? Foto: Präsentation an der Bröltalhalle

"Das beschäftigt uns am meisten", sagt Yin-Chen Lin von der Deutsch-Taiwanesischen Gesellschaft für Sozialökonomie. Er führt die Delegetion an, die von den Deutschen lernen will, einen solche Dorfwettbewerb in Taiwan zu etablieren. Die Besucher fahren der Jury hinterher, fotografieren und filmen. Auch das "Theaterstück Ruppichteroth", wie Lin sagt. Er bewundert es, wie die Gemeinschaft dieses Theaterstück aufführt, "so koordiniert und perfekt".

Doch Lin fragt sich, was passiert, wenn das Theaterstück vorbei ist: "Bleibt diese Aktivität erhalten oder verschwindet sie wieder?" Er hat das Gefühl, dass Ruppichteroth weiter daran arbeiten wird, "lebens- und liebenswert" zu sein. Eine Erfahrung, die seine Delegation nach Taiwan mitnehmen wird.

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