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'Haut ab, wir wollen Euch hier nicht!'

Von Christina Ottersbach | | Magazin

Rosbach, ein beschauliches Dorf im Windecker Ländchen, stand für einige Stunden im Focus der Öffentlichkeit. Auch wenn die, die diese Demonstration initiierten, die AG Windeck in Kooperation mit einer rechtsgerichteten Organisation aus dem Siegerland, unter dem Motto ?gegen staatliche Repression, Medien- und Pressehetze? auf die Straße gingen, so konnten sie nicht verhindern, dass mehrere Hundertschaften der Bundes- und Landespolizei und auch die Medien anwesend waren. In einem gut organisierten Einsatz waren die Bürgerinnen und Bürger Rosbachs von der Polizei Rhein-Sieg und der Gemeinde Windeck auf das Geschehen vorbereitet worden. Hermetisch abgeriegelt war der Ortskern, strategisch abgegrenzt wurden die Demonstranten von den Gegendemonstranten, so dass es nicht zu gefürchteten Eskalationen kommen konnte.

Mit einer auf einem Pkw installierten Lautsprecheranlage versuchten sich die Rechten Gehör zu verschaffen. Rund 65 Teilnehmer umfasste die Gruppe, meist blutjunge Menschen, die überwiegend nach dem neuen Konzept der rechten Gruppierungen gekleidet waren. Nicht Springerstiefel zierten sie, sondern moderne Baseballcaps, Shirts und Sonnenbrillen in vorwiegend schwarzer Farbe. ?Wir sind junge Menschen, die im nationalen Widerstand tätig sind?, ließen sie verlauten. ?Schaltet den Fernseher ab, denkt frei? war der Slogan eines mitgeführten Transparentes. Verbale Angriffe auf den Rhein-Sieg-Anzeiger sowie den WDR ob der Berichterstattung über die Vorkommnisse in Windeck während der letzten Monate folgten. Allgemein fühlten sie sich der Medien- und Pressehetze ausgesetzt und vom Staat ?bespitzelt und unterdrückt?. Der wohl mit Abstand älteste Teilnehmer der rechten Demo war der Kreistagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der NPD, Stephan Meise aus Niederkassel. Die AG Windeck hätte ihn als Gastredner geladen, erklärte Meise. Auf die Frage, wie viele Mitglieder denn der Kreisverband Rhein-Sieg habe, gab er die Antwort: ?Das können sie auf den Seiten des Staatsschutzes nachlesen, oder auch auf der Homepage des Deutschen Bundestages. Oder sie werden Mitglied.? Auf jeden Fall würden sie die anderen Parteien beneiden, wie man hier ja sehen würde, da so viele junge Menschen auf der Straße wären. Über fehlenden Nachwuchs könne man sich nicht beklagen. Mit mehr als einer Stunde Verspätung und unter umfassenden Polizeischutz startete der Zug mit etwas abgeänderter Route. Die geplante Kundgebung auf einem Privatparkplatz wurde von dem Eigentümer untersagt. Zuvor wurden die Demonstranten auf Waffen untersucht und in einen abgeschirmten Bereich gebracht. Über Rosbach kreiste ebenfalls ein Polizeihubschrauber, der das Geschehen aus der Luft beobachtete.

?Wir sind Deutschland, ihr seid Geschichte?, rief ein Passant den Rechten entgegen.

Weit mehr als 250 Menschen - die von Bürgermeister Jürgen Funke aufgerufen worden waren - hielten eine stille Mahnwache auf dem Pfarrer-Stiesch-Platz. Hier hatten sich Jung und Alt, Katholiken, Protestanten, Muslime, Deutsche und Ausländer, Demokraten aus allen Lagern, Nichtpolitische, Vereine, Schulen und viele mehr getroffen, um friedlich ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Auch Landrat Frithjof Kühn reiste aus Siegburg an. Besonders beeindruckend war das Engagement der Schulen, des Gymnasiums in Herchen und der Hauptschule Rosbach. ?Haut ab, ihr habt hier nichts verloren?, rief ein junges Mädel den Demonstranten entgegen. ?Wir wollen euch hier nicht!? Eine Rentnerin, die den Zug beobachtete kommentierte: ?Die wollen doch nur Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich stehen sie am Rande der Gesellschaft und bekommen diese bei denen da.?

Auch Die Linke und der linksautonome ?revolutionär anarchistische Widerstand Windeck? hatten eigene Demos angemeldet. Dass hier nicht die linken und die rechten Kräfte aufeinander stießen, verhinderten die staatlichen Ordnungshüter. Einziger Zwischenfall: ein Linksautonomer warf ein Ei und wurde er kurzfristig in Polizeigewahrsam genommen.

Gegenüber den Medien verhielten sich die jungen Rechten, wie es ihnen wahrscheinlich von ihren Vorbildern gezeigt wurde. Sie schwenkten die schwarzen Fahnen vor den Kameras der Fotografen, versuchten zu verhindern, dass sie im Bild festgehalten wurden. Und: man ging insoweit zur Attacke über, dass man auch die Medienvertreter provokant im Bild festhielt und sie auf den eigenen Kameras zu verewigen versuchte. Nach Beendigung der Versammlungen wurden im Einsatz befindliche Kräfte der Landespolizei auf Bitten der Bundespolizei am Bahnhof Eitorf kurzzeitig unterstützend tätig, nachdem es in einem Zug zu Streitigkeiten zwischen Versammlungsteilnehmern gekommen war.


Kommentar

Eigentlich kennt man derartige Demonstrationen nur aus dem Fernseher, meist in Großstädten und nicht vor der eigenen Haustüre. Diesmal war es anders. Diesmal wurde ein Steinwurf von uns entfernt das Realität, was niemand richtig wahrhaben möchte. Blutjunge Menschen, Jugendliche bezeichnen sich als nationaler Widerstand, grölen Ausländer raus, wollen die Zukunft Deutschlands sein... ?Gegen staatliche Repressionen? kämpfen sie, doch welchen staatlichen Repressionen sind die Jugendlichen des Windecker Ländchens ausgesetzt? Gegen Medien- und Pressehetze sind sie aufgestanden, doch welcher der Demonstranten unterlag dieser persönlich? Denn sie wissen nicht, was sie tun...

In wenigen Tagen, am 23. Mai 2009, wird unser Grundgesetz 60 Jahre alt. Besondere Bedeutung haben aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. Hierzu gehört die Medien- und Pressefreiheit genau so, wie die Religionsfreiheit, dass niemand aufgrund seiner Nationalität, seiner Hautfarbe, seiner ethnischen Herkunft benachteiligt werden darf und vor allem auch die Achtung der Menschenwürde. Dies gilt es zu verteidigen. Der Spuk von Rosbach ist vorerst vorbei. Aber die Kräfte wirken weiter. Die überwältigende Mehrheit der Menschen, die die stille Mahnwache abhielten, beruhigt für einen Moment. Wir alle sind aufgerufen, diesen gleich zu tun. Ein erster Schritt wird der mehrfache Gang zur Urne in diesem Jahr sein. Ob auf Europaebene (7. Juni), auf kommunaler Ebene (vorerst 30. August) oder aber Bundesebene (27. September), jede Stimme zählt. Und jede Stimme, die nicht abgegeben wird, erhalten diejenigen, die eigentlich kaum jemand haben möchte. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, wie die Zukunft unseres Landes, unserer Kinder aussehen wird. Wir alle sind aufgefordert an unserer Demokratie zu arbeiten und für unsere Demokratie einzustehen. ?Die Gewalt geht vom Volke aus?... und der Fall Rosbach zeigt, dass dies nicht Zeit bis morgen hat.

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