Wer genau hinhört, kann auf dem Huwil-Gelände derzeit nicht nur die schweren Baumaschinen beim Abreißen hören, sondern auch Vogelgezwitscher. Seit für die Mehlschwalben ein pompöses Vogelhäuschen nahe des Hochregallagers errichtet ist, wird ihr Gesang von CD abgespielt. "Damit wollen wir sie aus den Gebäuden in das Schwalbenhotel locken", sagte Heinz Schumacher von der Ortsgruppe des Bergischen Naturschutvereins (RBN). Erst wenn kein Vogel mehr in den alten Räumen haust, dürfen sie abgerissen werden.
Youtube: So sah das Huwil-Gelände kurz vor dem Abriss aus
Das soll laut Schumacher im September so sein, wenn die Mehlschwalben in den Süden ziehen. Ab dann werden nicht nur die Gebäude zur Brölstraße hin entkernt, sondern bis November auch Stück für Stück abgebrochen. Die Hallen am Brölbach sind bereits weg. Das Hochregallager konnte das Abrissunternehmen vermitteln, es wird demontiert und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Mittlerweile steht auch ein weiterer Mieter fest: Ins Gewerbegebiet soll eine Freizeithalle mit Spielen kommen.
Bevor mit dem Neubau begonnen werden kann, müssen Bagger belastetes Erdreich austauschen, so Thorsten Overländer vom Investor Schoofs, der das Huwil-Center errichtet. "Wie viel es genau ist, können wir noch nicht abschätzen, wir müssen bis zum Festgestein heruntergraben", sagte er. Vermutlich würden es zwischen 1000 und 1500 Quadratmeter Fläche sein, bei einer Tiefe zwischen 2,50 und vier Meter. Durch die Galvanik sickerten bei Huwil über Jahre leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe (LHKW) in den Boden. Knifflig ist auch die Entsorgung der Altsubstanz: Etwa 80.000 Kubikmeter müssen nach Baustoffen, zu denen auch Asbest gehört, getrennt und abtransportiert werden.
Während der gesamten Bauphase und auch danach bleibt das Schwalbenhotel, das Schoofs etwa 10.000 Euro gekostet hat, an seinem jetzigen Platz stehen. "Später wird es nicht mehr so frei zugänglich sein, ohnehin bevorzugen Mehlschwalben die Nähe zu Gebäude", erklärte Schumacher. Sein Rheinisch-Bergischer Naturschutzverein wird sich später um die Unterhaltung des etwa sechs Meter hohen Bauwerks kümmern. "Dazu gehört vor allem, es regelmäßig vom Vogeldreck zu reinigen."
Damit die etwa 30 Schwalben starke Kolonie überhaupt von ihren selbstgemachten Nestern im ehemaligen Bürogebäude in ihr künstliches Domizil umziehen, wird derzeit ständig mit Solarenergie eine CD mit Mehlschwalbengezwitscher abgespielt. "In der Verwaltung bekam das schon den Beinamen Schwalbendisco", sagte Bürgermeister Mario Loskill. Was sich lustig anhöre, habe einen ernsten Hintergrund: Studien hätten gezeigt, dass die Töne die Vögel anlockten.
"Vom neuen Huwil-Center profitiert auch sonst die Natur", erklärte Günter Pfeiffer von der unteren Landschaftsbehörde des Rhein-Sieg-Kreises. Die Gebäude am Brölbach würden etwa zehn Meter vom Ufer abgerückt, um ihm mehr Platz zu geben. Zudem wird eine alte Brücke abgerissen. Für die Region untypische Gehölze und Pflanzen würden entfernt und durch lokale ersetzt. In einigen Bäumen habe Schoofs vorsichtshalber Fledermauskästen aufgehangen, auch wenn bisher keine Fledermäuse auf dem Gelände nachgewiesen werden konnten.
Was Klaus-Dieter Müller vom Gewerbeverein Schaufenster Ruppichteroth freute, war der bestehende Plan für einen Fußweg entlang der Bröl. "Der wird aber nicht jetzt, sondern vielleicht irgendwann einmal gebaut, wir haben lediglich die Vorbereitungen getroffen", sagte Loskill.
Ein Puzzlespiel wird die Erhaltung von vier Sheddach-Fassaden aus Backsteinen werden. Laut Overländer würden sie Stein für Stein abgebrochen, ausgebessert und später wieder aufgebaut.
Kommentare
D. Kitchen
September 4, 2014 um 9:21 am
Ja klar, jetzt sind die Tiere alles Schuld. Schwalben die uns beim Vorbeifliegen auslachen, Kröten dies es wagen unsere Straßen zu überqueren... (Kopfschüttel)! Das alles sind Probleme die wir Menschen uns machen. Hier ist die Politik, Gemeiden, Investoren etc. gefordert. Aber wir können ja auch alle Schwalben und Kröten in unserer Region vernichten, dann sind ja alle Probleme gelöst. So genug der Polemik.
Frank B.
September 3, 2014 um 8:16 am
So ist das hier in Deutschland, immer alles schön politisch korrekt durchziehen. Das vermutlich über 90% der Leute das alles extrem lächerlich finden interessiert da leider nicht. Weitere Bespiele sind ja die Millionen für Krötentunnel und der Schutz des roten Milans.
Carmen G
September 1, 2014 um 11:52 pm
Das hier der Natur- bzw. Tierschutz höher gestellt wird als die menschliche Arbeitskraft finde ich persönlich äußerst fragwürdig! Da wird (auch seitens der Gemeinde Ruppichteroth) versucht Arbeitsplätze zu schaffen was aufgrund einer Mehlschwalbe verhindert wird! Die Eröffnung des Huwil Einkaufscenters sollte doch im Dezember diesen Jahres anläßlich unserer ach so tollen Döörper Weihnacht sein? Statt endlich mal Arbeitsplätze für Frauen (ich sage bewusst Frauen weil die hauptsächlich im Einzelhandel sind) zu schaffen, die vielleicht auch noch vom SGB 2 (Hartz 4) abhängig sind, wird auf ein paar Vögel Rücksicht genommen! Ich frage mich wie weit wir gekommen sind ... die 20 Schwalben fliegen bestimmt Dienstags lachend an den Leuten vorbei die bei der Tafel Ruppichteroth anstehen ... Das ist traurig, sehr sehr traurig!
Ronald Hörstmann
August 30, 2014 um 9:14 pm
"Maria Geburt (8.9.) fliegen die Schwalben furt." Ich würde ja den Herrschaften, die was zu meckern haben jede Menge Mückenstiche gönnen. Bin mal gespannt, ob die Schwalben das Hotel im nächsten Jahr annehmen. Aber die paar Tage kann der Abriss ja noch warten. Hier bei uns an den Alpen sind schon die ersten Schwärme der Schwalben eingetroffen und fangen Mücken und anderes über unseren Bodensee hinweg. Habt Ihr eigentlich schon mal den NABU und den Bund von Eurer Idee berichtet? Oder kam die Idee von denen?
Peter Schneider
August 30, 2014 um 11:57 am
Ja für ein Schwalbenhotel ist Geld da. Aber ein dringend notwendiger Kreisverkehr wird abgelehnt. Die armen Schwalben und Fledermäuse. Aber die Verkehrssituation ist nicht so wichtig. Peinlich und lächerlich!
Franz Josef Kraus
August 29, 2014 um 6:58 pm
Die Schwalben zu schützen ist eine gute Sachen. Wer betreibt aber soviel Aufwand um Kinder und alte Menschen im alltäglichen Straßenverkehr zu helfen?