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Spurensuche unter Tränen

Von Nicolas Ottersbach | | Magazin

Alle 22 Ruppichterother Juden, die nicht ausreisten oder flohen, wurden bis 1942 von den Nationalsozialisten ermordet. Die meisten von ihnen gehörten zur Familie Gärtner. Hugo Tobias und seine Frau Irma, eine geborene Gärtner, schafften es schon 1937 mit ihrem Sohn Wolfgang in die USA. "Aber über diese Zeit wurde bei uns nie gesprochen", sagte Robert Tobias (53). Der Enkel von Hugo und Irma wusste fast nichts über die Wurzeln seiner Familie. Das änderte sich bei seiner Reise nach Deutschland.

"Es ist bewegend, in den Fußstapfen unserer Vorfahren zu wandern", so Robert Tobias. Auch seine Frau Debra (47) und Sohn Zack (15) waren mitgekommen und ergriffen. Oft verschlug es ihnen die Sprache, als sie die Bröltalgemeinde kennenlernten. Es liefen Tränen. Vor allem, als Zeitzeuge Heinrich Schoepe von der Nazizeit erzählte. Damals kam ein Freund zu ihm und seiner Familie, um sich zu verabschieden. Es sei klar gewesen, dass er im Konzentrationslager sterben würde. "Bis heute frage ich mich, warum wir nichts getan haben", sagte Schoepe und wischte seine Tränen weg, "wir hatten alle solche Angst."

Foto: V.l. erzählt Hartmut Benz Debra, Robert und Zack Tobias, Ludwig Neuber und Heinrich Schoepe von den Ruppichterother Juden.

Organisiert hatte die Reise Daniela Tobias aus Hamm, die die Ehefrau des Cousins viereinhalbten Grades von Robert Tobias ist. Im Herbst 2011 stieß sie bei der Internetrecherche zum Stammbaum ihrer Familie auf die Tobias' aus Connecticut im Nordosten der Vereinigten Staaten. "Seitdem sind wir in Kontakt und versuchen gemeinsam die Geschichte der Familie zusammen zu puzzeln", sagte sie. Der Besuch sei nun der Höhepunkt gewesen.

Foto: Neues Leben in Connecticut: Hugo (links) arbeitete nach seiner Flucht bei Copaco (Connecticut Packing Company)

In Begleitung von Ludwig Neuber und Historiker Hartmut Benz, die immer wieder etwas zur Heimatgeschichte erzählten, ging es bei der Tour durch das Bröltal nicht nur zu touristischen Zielen wie der Burg Herrenstein, sondern auch in das Ruppichterother Oberdorf. Dort, wo heute eine Sattlerei ist, hatten die Gärtners früher ihre Metzgerei. Die Bewohner waren überrascht, als die Reisegruppe plötzlich vor der Tür stand. "Mich würde das doch auch interessieren, also kommen sie rein", lud Sonja Kaltenbach spontan in ihr Haus ein. Durch das Wohnzimmer, das früher ein Verkaufsraum war, ging es durch die Schlafzimmer bis in den Hinterhof. In den damaligen Lagerräumen stehen nun Pferde und Kutschen. Neugierig schauten sich Robert, Debra und Zack Tobias jede Ecke an. "Das ist ein unvergesslicher Moment", sagte Debra Tobias.

Nur wenige Meter weiter steht die alte Synagoge, die in der Reichskristallnacht angezündet wurde und mittlerweile ein Wohnhaus ist. "Die Ruppichterother Feuerwehr, in der früher auch viele jüdische Mitbürger waren, löschten den Brand", erklärte Hartmut Benz.

Bei ihrem einwöchigen Aufenthalt in Deutschland ging es nicht nur nach Ruppichteroth, sondern auch in das Museum "Landjuden an der Sieg" in Rosbach. Auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd setzten die Familie einen Grabstein für Hermann Tobias, den Vater von Hugo Tobias.

Über das Schicksal der Familie Gärtner und der Ruppichterother Juden unterhielten sich die Amerikaner mit Zehntklässlern der Ruppichterother Hauptschule. "Je weiter das alles in der Vergangenheit liegt, desto mehr müssen wir uns daran erinnern", sagte Ludwig Neuber, der die Schulstunde arrangiert hatte.

Die Jugendlichen, die vergangenes Jahr das Konzentrationslager Auschwitz besucht hatten, stellten viele Fragen. Es ging um die Strapazen der Flucht von Robert Tobias Großeltern und wie in der Familie damit umgegangen wurde. "Viel wissen wir nicht, denn wir wurden komplett davon abgeschottet", sagte Robert Tobias. Zu Hause wurde nur Englisch gesprochen, deutsche Traditionen gab es nicht. Aufschlussreich waren die historischen Dokumente, die er in den vergangenen Jahren zusammengetragen hatte. Er zeigte den Schülern alte Fotos, Ausreisepapiere und persönliche Briefe.

Zum Schluss kam die Frage auf, was die Amerikaner von den Deutschen halten. "Alle waren sehr offen und freundlich zu uns, wir haben uns willkommen gefühlt", sagte Robert Tobias. Nach Deutschland ziehen möchte die Familie trotzdem nicht. Ihre Heimat sei nun Connecticut.

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