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Kommentar: Menschlichkeit kennt keine Obergrenze

Von Nicolas Ottersbach | | Magazin

Von Nicolas Ottersbach

Ich bin ein Flüchtlingskind. Meine Großmutter ist vor Krieg geflüchtet. Sie kam als "Rucksackdeutsche" ins Rheinland, die wenigsten haben sie mit offenen Armen empfangen. Aber manche eben schon. Zu einer Zeit, als Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg in Trümmern lag, Armut und Hunger regierten.

Wer in seiner eigenen Familiengeschichte und der Nachbarschaft forscht, wird herausfinden, dass im näheren Umfeld sicherlich schonmal ein Verwandter oder Freund geflüchtet ist. Als Jude vor den Nazis, als Ostdeutscher vor der Stasi oder als Aussiedler vor dem zerfallenden sowjetischen Staat.

Wie sieht es jetzt aus? Wir leben im Überfluss. Unser Sozialstaat sorgt dafür, dass niemand hungern muss und jeder ein Dach über dem Kopf hat. Wenn er denn möchte. In Ruppichteroth haben wir drei Kunstrasenplätze, gut ausgestattete Turnhallen, Jugendzentren, ein nagelneues Einkaufszentrum. Gelten als "Golddorf" und "Perle des Bröltals", können über Kirmes und Weihnachtsmarkt schlendern. Die meisten von uns leben in chiquen Häuschen. Für die sozial Benachteiligten organisieren Ehrenamtliche die Tafel und Seniorenbegleitdienste.

Aber vor allem schießt niemand mit Granaten unser zu Hause kaputt oder verfolgt uns, weil wir jemanden heiraten möchten, der den Bekannten nicht passt.

Und jetzt wagen einige zu behaupten, das Boot sei voll? Man kann an der Einwanderungspolitik und der Organisation, die momentan definitiv nicht gut läuft und Kommunen vor riesige Probleme stellt, Kritik äußern. Man muss es sogar, denn durch Gleichgültigkeit hat sich noch nie etwas verbessert. Allerdings darf nicht an der Sache, Asyl zu gewähren, gezweifelt werden. Es hat einen Grund, warum das Grundgesetz keine Asyl-Obergrenze vorschreibt. Weil menschliches Mitgefühl keine Obergrenze kennen darf.

In all unserem Luxus können wir Deutschen es uns leisten, Hunderttausende Schutz suchende Menschen aufzunehmen. Jetzt, wo zur Diskussion steht, dass die Bröltalhalle gesperrt wird, merken wir das erste Mal etwas von der Flüchtlingswelle. Erstmals muss eine Großteil der Ruppichterother auf etwas verzichten. Wir geben ein bisschen ab, damit andere im Winter nicht frieren müssen. Erinnert mich an Sankt Martin, dessen Handeln wir jedes Jahr mit Umzügen ehren.

Es wird sicherlich noch weitere Einschnitte in unserem gesellschaftlichen Leben geben. Aber das muss unser demokratischer Staat, das muss unsere Gesellschaft, das müssen wir aushalten. Weil es am Ende nur eine Nationalität gibt, die ebenfalls keine Grenzen kennt. Sie heißt Mensch.

Kommentare

  • Christoph Müller
    October 21, 2015 um 11:44 am

    Auch ich habe überlegt, hier noch mal etwas zu kommentieren. Das habe ich schon in einer anderen Sache getan und wollte es auch nicht mehr. Aber irgendwie gelingt mir das gerade nicht:

     

    Jetzt wird es aber Zeit, dass einige Leute mal die Schwarzseher-Brille abziehen. Dass man sich täglich in hoch sensiblen Bereichen einer Sicherheitskontrolle unterziehen muss, liegt mit Sicherheit nicht an den Flüchtlingen. Wenn man sieht, mit welch spärlichen Habseligkeiten diese Menschen nach der langen Flucht einreisen, habe ich keine Angst. Im Gegenteil: Die haben nichts außer einer Tüte oder einem Rucksack. Und darin haben sie dann die ganze Zeit ein Kind transportiert. Nur ein Kind, weil sie vielleicht ein zweites oder mehr zu Hause zurück gelassen haben. Ich glaube, dass in deren kleinem Gepäck gar kein Platz für eine Bombe ist, die sie dann irgendwo zünden können. Die Terroristen, die das tun, kommen teilweise sogar aus Deutschland, reisen in Ausbildungslager und kommen dann als "Freiheitskämpfer" wieder zurück. Das machen die übrigens nicht zu Fuß, sondern mit einem Flugzeug.

     

    Und dann gibt es noch die verwirrten Mitbürger, die sich vor andere Verwirrte hinstellen und rechtsradikale Hetze verbreiten. (Diesem Herrn Pirinçci geht es doch überhaupt nicht schlecht in Deutschland; er ist sogar mit Hauptschulabschluss, das muss man ja in unserer Leistungsgesellschaft mittlerweile betonen, erfolgreicher Buchautor geworden). Ganz schlimm daran ist aber, dass dabei viele applaudieren und solchen Leuten hinterher laufen. Oder hoch intellektuelle Videos veröffentlichen, in denen drei geistesschwache so etwas wie: "Vier, vier, vier, wir für Trier!" skandieren. Übrigens sind diese Menschen der Grund dafür, dass auch bei drei Millionen Arbeitslosen immer noch Fachkräfte fehlen. In der Gemeinde Nümbrecht wird gerade ein ehemaliges evangelisches Erholungsheim als Erstaufnahmestation umgebaut. Um das ganze Gelände wird ein Zaun gebaut. Dieser Zaun dient nicht dazu, dass die Flüchtlinge dann von dort weiter flüchten, sondern dient diesen Menschen als Schutz vor Gefahren von außen!.

     

    Wenn man sich tatsächlich mal mit Leuten unterhält, die damals nach dem Krieg aus ihrer Heimat vertrieben oder geflohen sind, dann sagen sogar einige, dass sie zu dieser Zeit auch nicht erwünscht waren. Sie wurden trotzdem aufgenommen und haben am Wiederaufbau tatkräftig mitgewirkt. Davon profitieren wir heute. Niemand würde diese Mitbürger heute noch als Flüchtlinge bezeichnen.

     

    Die Bürgermeister und die Mitarbeiter der Verwaltungen leisten bei der Unterbringung der Leid geplagten Menschen mehr als viel Arbeit. Dank an die Vereine, die diese Situation akzeptieren. Auch den Ehrenamtlichen Helfern gebührt großer Respekt. Viele von ihnen fühlen sich sicherlich aufgrund ihres Glaubens dazu berufen, zu helfen. Wobei ich mich aber auch gerade Frage, was denn eigentlich die Kirchen in Deutschland zu der Situation beitragen. Ich mag mich täuschen, aber gerade bei der katholischen Kirche müssten doch auch viel Raum und, vor allem, finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Ich bin katholisch, und ich bin ein Befürworter der Flüchtlingsaufnahme. Ich bin, zugegeben, aber auch nur ein Mensch, der sich außer der Fürsprache in dieser Sache auch noch nicht wirklich eingebracht hat.

     

    Meiner Familie und mir geht es gut, und ich befürchte nicht, dass sich das durch die Flüchtlinge ändert.

  • Sylvia Herking
    October 21, 2015 um 10:27 am

    Ich habe lange überlegt ob ich in diesem Forum einen Kommentar abgebe oder nicht. Seit Anfang des Jahres arbeite ich aktiv im AK Flüchtlingshilfe mit und habe direkten Kontakt zu einem Teil der Menschen um die und deren Flucht zu uns so heiß diskutiert wird.

     

    Meine Großeltern und meine Mutter sind auch vertrieben worden und somit vor der nächsten Konsequenz, dem Tod im Krieg, geflohen. Es war zu der Zeit Krieg bei uns im Land und auch ich habe viele Geschichten gehört von Leid und Hunger, von Landsleuten die diese „Flüchtlinge“ beschimpft und als billige Arbeitskräfte ausgenutzt haben. Gute und schlechte Menschen gibt es immer auf beiden Seiten.

    Ich finde es nicht sachlich anderen den Blick durch eine rosarote Brille vorzuwerfen die sich für andere Menschen engagieren.

     

    Keiner von uns kann sagen, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Aber jeder kann daran mitarbeiten, das wir was positives auf den Weg bringen. Die Gefahr von Attentaten oder Terroranschlägen besteht ja auch nicht erst seit dem Flüchtlingsstrom.

     

    Wir haben das Glück in einem Staat aufgewachsen zu sein und zu leben, in dem Terror und Korruption bekämpft werden. Wir haben das Glück, dass wir unsere Meinung äußern dürfen und unseren verschiedenen Glaubensrichtungen und Religionen nachgehen können. In dem Artikel zu dem wir hier unseren Kommentar abgeben wurde keine Person, die sich Gedanken macht, als Rassist oder Nazi beschimpft. Es wird bei uns und in dem obigen Artikel keinem das Recht auf seine Meinungsfreiheit genommen. Und woher kommt die Einstellung, das man wenn man sich Gedanken macht ich zitiere „ als böse und nichtswürdige Seite“ nicht zu Wort kommen darf? Dies habe ich dem Artikel von Herrn Ottersbach und auch den vorangegangenen Kommentaren nicht entnehmen können.

     

    Unter den Menschen, die hilfesuchend zu uns kommen, sind sicherlich auch schwarze Schafe, die wie zu jeder Zeit auch schon in unserer Gesellschaft als Sozialschmarotzer zu finden waren und zu finden sind. So wie nicht jeder Hartz IV Empfänger damit gleichzusetzen ist, als auch jede kritische Äußerung als rassistisch gewertet werden darf, so kann ich auch nicht die Asylbewerber und Flüchtlinge über einen Kamm scheren und mich nur auf das negativ Bild fokussieren.

     

    „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“ Dies hat John F. Kennedy mal gesagt und dies ziehe ich auch im übertragenen Sinne aus dem tollen Artikel von Herrn Ottersbach.

     

    So wie wir, und ganz viele in Ruppichteroth, sich engagieren, sei es in den Kindergärten, Schulen, Vereinen, beim Bürgerbus, bei der Seniorenhilfe, dem Bürgerverein usw., nur so kann es funktionieren. Nur so kann es Ruppichteroth, in Deutschland, in Europa und in der Welt funktionieren.

  • Ilka Schmidt
    October 20, 2015 um 8:42 pm

    Wenn ich das lese stellen sich mir sämtliche Nackenhaare auf! Unsere (ja auch meine) Großeltern sind nicht geflüchtet, sondern sind aus ihrer Heimat vertrieben worden. Sie kamen nicht in ein Land, wo alle im Überfluss gelebt haben. Meine Großmutter hat mir oft erzählt, wie sie gehungert haben, alles musste neu aufgebaut werden und mit eigener Hände Arbeit geschafft werden.

     

    Hier muss niemand Hunger leiden und jeder hat ein Dach über dem Kopf? Nehmen Sie bitte mal die rosarote Brille ab! Leute wie Sie, haben noch immer nicht verstanden, das es nicht hauptsächlich darum geht, auf etwas zu verzichten. Sorgen bereitet mir, was in z.B. fünf Jahren ist. Was wird aus all den Flüchtlingen? Was passiert, wenn sie feststellen, das es doch nicht so toll ist in unserem ach so gelobten Deutschland. In einem Land, in dem es 3 Millionen Arbeitslose gibt, werden natürlich 1 Millionen Fachkräfte dringend gebraucht. Dazu kommt, das ich weiß nicht wieviele unregistriert hier einwandern, aus Ländern, in denen es keine Regeln gibt, wo Selbstmordattentäter keine Seltenheit sind und wo der Terror und die Korruption regieren.

     

    Sorry, aber ich kann und will das nicht verdrängen. Mein Mann muss jeden Tag wenn er zur Arbeit will, durch eine Sicherheitskontrolle, an der selbst vor Kindersitzen kein Halt gemacht wird (könnte ja eine Bombe drin versteckt sein) und Sie wollen mir klar machen, dass ich das tolerieren soll? Warum werden alle Menschen die sich darüber Gedanken machen als Rassisten und Nazis beschimpft? Warum zählt nur die Meinung der anderen? Warum bin ich ein schlechterer Mensch als Sie? Warum zählt die Meinungsfreiheit nicht mehr? In diesem Sinne bin ich gespannt, ob die Meinungsfreiheit hier noch zählt und auch mal die andere "böse, nichtswürdige" Seite, zu Wort kommen darf.

  • Jaqueline G.
    October 20, 2015 um 3:10 pm

    Hallo Manuela, ich stimme deinem Kommentar vollkommen zu. Dazu möchte ich noch sagen, dass man aufgrund von Einzelfällen keinem Menschen, und vor allem keinen Unbeteiligten, das Asylrecht streitig machen darf.

     

    Wenn es um Kriminalität geht, gilt es den den Menschen unabhängig seiner Herkunft zu betrachten. Wenn man vom Nachbarn beklaut wird, wird kein rational denkender Mensch auf die Idee kommen, denjenigen abzuschieben. Überspitzt dargestellt. Es sollte jedenfalls kein Grund sein, Menschen ihrer Rechte berauben zu wollen.

     

    Ich kann verstehen, dass man in Brennpunktgegenden vorsichtiger ist. Dabei rede ich absichtlich nicht speziell von Bezirken in denen viele Flüchtlinge untergekommen sind. Man muss tolerieren, dass diese Menschen aus anderen Kulturkreisen kommen und somit etwas anderes gewohnt sind. Außerdem kann man nicht bestreiten, dass der Großteil bereit dazu ist, unsere Kultur zu übernehmen und sich Mühe gibt, sich schnell zu integrieren. Kriminalität kam nicht erst mit der Flüchtlingswelle.

     

    Also fassen wir alle uns doch alle an den Hände und helfen unseren neuen Mitbürgern, dass es ihnen hier besser geht als in ihrem Herkunftsland und hoffen, dass die Ursachen der Flucht so schnell wie möglich beseitigt werden. Letztlich sitzen wir doch alle im gleichen Boot.

     

    Grüße an den Autor, wirklich schöner und verständlich dargestellter Text.

  • Manuela Nahs
    October 20, 2015 um 10:20 am

    Hallo Nicolas, ich finde du hast das toll geschrieben. Natürlich müssen wir helfen so weit es uns möglich ist, wenn ich die Bilde des Krieges sehen, laufen mir die Tränen und man möchte es selber nicht erleben.

     

    Die ältere Generation unter uns hat es miterlebt und weiß, was es bedeutet. Leider hat so eine Welle auch einen bitteren Beigeschmack, man hört von Überfällen, Diebstähle und Aggressionen und das ist bestimmt nicht schön, da kann man auch die Angst mancher Leute verstehen. Nur das sind auch Einzelfälle die gerne publik gemacht werden, um Ängste und Hass zu schüren.

     

    An der Einwanderungspolitik muss noch gearbeitet werden das sehen wir alle, aber nur wenn jeder mit hilft und den Flüchtlingen vermittelt wie es Deutschland läuft kann auch ein miteinander funktionieren.

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