Konkurrenz belebt das Geschäft – es sei denn, sie zwingt dazu, sich selbst Konkurrenz zu machen. Genau dieses Dilemma traf die Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE), als private Busunternehmer und die Deutsche Post begannen, den Schienenverkehr im Bröltal herauszufordern. Eine Lösung musste her, bevor die Fahrgäste dauerhaft auf die Straße wechselten. Am 1. Februar 1925 griff die RSE daher selbst zum Lenkrad und schickte ihre ersten Busse auf die Straße. Drei Linien sorgten fortan für eine flexiblere Beförderung: Waldbröl – Hennef – Beuel, Hennef – Siegburg und Niederdollendorf – Oberpleis. Foto: Wohl noch im Jahr 1925 steht hier am Bahnhof Hennef ein Bus der RSE zur Abfahrt nach Waldbröl bereit. Foto: Slg. Carsten Gussmann/bilderbuch-ruppichteroth.de
Zugverkehr im Bröltal – Ein Geduldsakt für Fahrgäste
Begeisterung über die Bahn hatte im Bröltal ohnehin nicht mehr geherrscht, wie Ulrich Clees in einem ausführlichen Bericht auf bilderbuch-ruppichteroth.de schreibt. Die Rheinlandbesetzung teilte das Gebiet und schwächte den Zugverkehr massiv. Felderhoferbrücke – das heutige Bröleck – zerschnitt das Tal und ließ den oberen Abschnitt vom Rheinland abgeschnitten zurück. Nur drei Fahrten pro Woche blieben, und das auch nur zwischen Hennef und Ruppichteroth. Waldbröl? Fehlanzeige. Noch dazu rollten Fahrgäste in behelfsmäßigen Wagen, angehängt an Güterzüge. Kein Wunder, dass sich Alternativen schnell großer Beliebtheit erfreuten.
Der Bus als neue Hoffnung
Die Deutsche Post erkannte das Potenzial und versuchte zwischen 1921 und 1924 immer wieder, Busverbindungen zu etablieren. Doch Rentabilität? Fehlgeschlagen. Trotzdem rollte bereits „Kaisers Auto“, ein Omnibus des Hennefer Unternehmers Kaiser, mit wachsender Beliebtheit durch die Region. Die RSE sah sich zum Handeln gezwungen: Wer nicht selbst ins Busgeschäft einstieg, würde das Feld den anderen überlassen.
Auch in Bonn und Niederdollendorf zeigte sich schnell, dass der Omnibus oft die besseren Karten besaß. Die Heisterbacher Talbahn endete für viele Reisende im Nirgendwo – eine Verlängerung nach Oberpleis? Nur Theorie. Der neue Bus machte das einfacher: eine direkte Verbindung zwischen Rhein und Oberpleis. Ähnlich sah es in Beuel aus. Die Bahn endete an der Fähre nach Bonn, doch nach der Eröffnung der Rheinbrücke 1898 verlor der Bahnhof seine strategische Bedeutung. Die Schubladenpläne für einen besseren Endpunkt blieben genau dort: in der Schublade. Der Bus fuhr von Hennef über Beuel bis direkt in die Bonner Innenstadt – eine echte Verbesserung.
Unwillig, aber erfolgreich
Begeisterung über die neuen Buslinien war in den Chefetagen der RSE allerdings nicht zu spüren. Ein Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 23. Dezember 1925 zeigt das überdeutlich: Nur mit Widerstreben hatte das Gremium zugestimmt, die Autobuslinien einzuführen – ausschließlich, um lästige Wettbewerber auszuschalten. Sobald kein Verkehrsbedarf mehr bestünde, sollte der Busbetrieb möglichst bald eingestellt werden. Welch eine Fehleinschätzung! Zehn Jahre nach Betriebsaufnahme betrug das Busnetz 162 Kilometer – fast doppelt so viel wie das verbliebene Schienennetz.
Erfolgreiche Verdrängung – Ein Segen mit Haken
Mehr Fahrtmöglichkeiten als je zuvor – davon berichtete die Waldbröler Zeitung begeistert am 9. Februar 1925: „Das Bröltal besitzt nun sage und schreibe täglich 24 Verbindungen, 12 talabwärts und 12 talaufwärts.“ Doch die Euphorie währte nur kurz. Bereits am 28. März erschien ein anderer Tonfall: „Die einst so hervorragenden Verkehrsverhältnisse haben sich verschlechtert.“ Der Omnibusbetrieb der RSE führte dazu, dass Kaisers Auto nicht mehr konkurrenzfähig war. Die Fahrten des beliebten Unternehmers verschwanden – die RSE hatte das Ziel erreicht. Doch das Resultat? „Schon zeigt sich der Unsegen der Konkurrenzlosigkeit“, mahnte die Zeitung. Unpünktlichkeit machte sich breit.
Nicht jeder Fahrgast fühlte sich in den neuen Bussen wohl. Ein Brief aus dem Juni 1930 zeigt, dass Komfort oft ein Fremdwort blieb. Ein Ehepaar bestieg um 22 Uhr in Hennef den Omnibus nach Waldbröl – doch das Dach leckte. Der mit Teer getränkte Wagen ließ den Regen tropfen, bis Mantel und Hut der Dame mit schwarzen Flecken bedeckt waren. „Ganz neu waren die Sachen!“, empörte sich der Mann und forderte Schadenersatz. Zu allem Überfluss blieb der Bus mitten in der Nacht mit Maschinenschaden in Herrnstein liegen.
Der Schienenverkehr auf dem Abstellgleis
Trotz steigender Erfolge im Busverkehr blieb die Bahn skeptisch. Neue Triebwagen kamen ab 1934, moderne Technik und vom Bauhaus inspirierte Gestaltung sorgten für Aufsehen. Doch die Zukunft der Schienen? Immer unsicherer. Bahndirektor Wilhelm Degenhardt ließ Bewerber für Bahnberufe wissen: „Der Schienenverkehr hat keine Zukunft. Bewerben Sie sich lieber für den Busbetrieb.“ Er sollte Recht behalten.
Von der Bahn zur Busgesellschaft
Während die RSE bis 1967 noch Güter beförderte – hauptsächlich Basalt aus dem Westerwald – schwand der Personenverkehr auf den Schienen rapide. 1951 verschwanden Züge zwischen Niederpleis und Siegburg, Hennef und Beuel. 1953/54 endete der Bahnbetrieb im Bröltal komplett. Schienen wurden abschnittsweise entfernt, vom Schrotterlös kaufte die RSE neue Omnibusse – ein Streckenabschnitt nach dem anderen wechselte auf die Straße.
Bis 1973 blieb die RSE unter Kontrolle der Basalt-AG, dann erfolgte der Verkauf an die neugegründete Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft (RSVG). Mit 7,3 Millionen Fahrgästen jährlich und einem wachsenden Streckennetz hatte sich der Bus längst als das neue Rückgrat des Nahverkehrs etabliert.
Und heute? Wer in die Linien SB53, 512, 520 oder 529 steigt, nutzt noch immer die einstigen Strecken der RSE – nur ohne Schienen, dafür mit mehr Fahrplanstabilität als vor 100 Jahren.
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